Sandy Dähnert ist Freelance Green UX/UI Designerin. Sie hat nach einem Gespräch mit Susanne ihre Gedanken zu einem neuen Bewusstsein im digitalen Alltag aufgeschrieben.


Egal, ob Fleisch oder Website-Klick – wir sehen nicht mehr, was dahinter steht

Was hat Fleisch mit digitalen Daten zu tun? Warum sehen wir nicht, welche Prozesse dahinter liegen? Was sind Rebound-Effekte? Und was passiert eigentlich, wenn es nicht mehr da ist?


Was hat Fleisch mit dem Website-Klick zu tun?

Es ist Freitag und Marion geht einkaufen. Sie greift zum Fleisch und holt eine Packung Rinderfilets aus der Kühltheke. Wie viele macht sich Marion dabei keine Gedanken darüber, dass das mal eine Kuh war. Ein ganzes Tier. Dabei geht es mir gar nicht darum, ob man Fleisch isst oder nicht, sondern darum, dass das Endprodukt visuell und preislich so verkauft wird, dass einem die gesamte Lieferkette nicht mehr bewusst ist. Früher ist man zum Metzger gegangen und hat noch ganze Tiere hängen sehen. Da war klar: „Das war mal ein Schwein. Das brauchte viel Wasser und Futter. Das stand auf einer Weide (oder in einer Massentierhalle).“ Aber das hat man heute nur noch selten.

Bei Daten ist das genauso. Wir klicken uns wild durch das Internet und haben dank schnellster Performance und bester Internetleitung vergessen, was eigentlich dahinter steht. Datenserver. Große, dicke Datenserver. Viele davon. So viele, dass sie zusammengenommen ganz Portugal ausfüllen würden. Diese Datenserver werden mit viel Strom am Laufen gehalten und mit Unmengen an Wasser und/oder Strom gekühlt. Dieser Strom kommt zumeist von Kohlekraftwerken oder was in dem Land des Standorts so üblich ist. Und damit wird CO2 wie wild in die Luft geblasen.


Was verbraucht denn so ein Klick?

Im Schnitt bedeutet jeder Klick im Internet 1,76g CO2. Jede E-Mail sorgt für ca. 0,3g bis 50 g CO2 in ihrem Dasein1. Jeder Klick. Jede E-Mail. Videos zählen obendrauf nochmal 0,1 bis 1,6 kg CO2 pro angeschaute Stunde.3 Da kommt schon schnell mal was zusammen.


Daten kosten heutzutage nix mehr. So wie Fleisch.

Wie oft ich von Freunden gehört habe: „Daten kosten doch nix mehr.“ Das ist sehr bezeichnend. Und es stimmt ja auch. Zumindest für den Geldbeutel. Genauso wie bei Fleisch. Daten-Clouds werden uns hinterhergeschmissen. Speicherkarten kosten noch etwas, aber auch nicht mehr so viel wie früher. Sicher sind Produktivität und Effizienz besser geworden, aber unser Planet leidet trotzdem unter der Last des Internets. Wir sehen die Kosten nicht und dennoch sind sie da.


Das Web ist immer verfügbar. So wie Fleisch.

Es ist immer da. Das Internet. Außer einer Seite, nämlich der von Kris De Decker in Barcelona. Mit seinem Low Tech Magazin geht er auch mal offline, wenn die Sonne nicht scheint. Seine ganze Webseite wird mit einem Solarpanel auf seinem Balkon betrieben4. Ist nicht genug Sonne da, ist die Seite auch mal nicht verfügbar. Das zeigt uns, dass auch das Internet Ressourcen benötigt. Es wird greifbarer. Bei Fleisch ist das nicht anders. Es ist immer verfügbar, außer es ist Sommerwetter und alle holen Grillwürstchen.

Beides führt dazu, dass wir gerne horten. Sowohl Grillwürstchen als auch Internet. Nehmen wir uns z.B. vor, ein Wochenende lang mal kein Internet zu nutzen, dann überkonsumieren wir meist in den Tagen zuvor. Dinge erledigen, Arbeit fertig machen, allen nochmal schnell schreiben. Und nach den Detox-Tagen? Naja, manchmal ist es dann besser oder es geht direkt im Hochnutzungsmodus weiter.


Was sind die Rebound-Effekte?

Rebound-Effekte entstehen, wenn etwas eigentlich gut gemeint ist, dann aber doch „nach hinten losgeht“. So wirkt sich bspw. die effizientere und professionellere Viehproduktion einfach nur darauf aus, dass mehr Fleisch für weniger Geld auf den Markt kommt und damit häufiger gegessen wird. Im Web gibt es so etwas auch. Zum Beispiel beim Videostreaming. Früher gab’s die DVD, die gekauft oder geliehen und dann weiter verliehen wurde. Heute gibt’s Netflix, YouTube und Co. Und es wird zwar keine DVD mehr geschaut, dafür aber rund um die Uhr Videos von Katzenbabys, Serien und Filmen gestreamt. Auch das kostet. Nicht uns, sondern die Umwelt.


Was will uns das alles sagen?

Wir sollten uns mehr und mehr bewusst machen, was hinter all den Konsumgütern steckt, die wir tagtäglich ganz selbstverständlich nutzen. Dazu zählen vor allem auch Fleisch und der Internetkonsum. Muss der Griff in jeder freien Minute unbedingt zum Handy gehen? Muss ich diese nichts aussagende E-Mail gerade wirklich schreiben? Muss ich unbedingt so viele Daten posten, in Clouds horten oder mit Freunden teilen? Das sind alles Fragen, die man sich hin und wieder stellen kann. Dafür muss man nicht „verzichten“, sondern sich einfach vor Augen führen, welche Verhaltensweisen wirklich zielführend für einen selbst sind und einem gut tun. Also denn, viel Spaß dabei!


Weiterführende Infos für Dich:
Website: Sandy Dähnert
1 Buch „How bad are bananas“ von Mike Berners-Lee
2 websitecarbon.com
3 theshiftproject, @carbonbrief und iopscience.iop.org
4 solar.lowtechmagazine.com
TDG Blog: Wie soll sich meine veränderte Lebenswirklichkeit anfühlen