Die EU hat 2020 eine Regelung zur Obhutspflicht eingeführt. Das bedeutet: Retouren-Vernichtung ist verboten. Gerade Online-Shops erhalten oft völlig intakte Waren und Elektrogeräte wie z. B. Fernseher zurück, da Verbraucher*innen ein 14-tägiges Rückgaberecht haben. Die Händler haben nun eine sogenannte Obhutspflicht und dürfen die intakten Retouren nicht einfach vernichten.
Der Ansatz ist gut. Allerdings ist mir nicht klar, wie und durch wen das umgesetzt und kontrolliert werden soll? Ein Beispiel zeigt, wie es gehen kann: Ich habe mir Fairphone angesehen. Das Unternehmen versucht seit 2013 mit modularen Handys, den Markt fairer und nachhaltiger zu gestalten. Was macht ein Fairphone fair?
- Im Fairphone werden hauptsächlich faire Materialien verbaut. Das bedeutet, die Rohstoffe, die für die Herstellung der Handykomponenten notwendig sind, werden in Minen abgebaut, die nicht in Kriegsgebieten liegen und somit größtenteils konfliktfreie Ressourcen darstellen.
- Durch die modulare Bauweise kann das Telefon schnell repariert werden, sollte mal etwas kaputtgehen – auch das spart Ressourcen.
Die Software des Geräts ist auf Langlebigkeit ausgerichtet und kann über 5 Jahre hinaus upgedatet werden. - Um den Nutzern einen schnellen Service zu bieten, hat die Firma auch vor Ort Ansprechpartner eingeführt, die “Fairphone Angels”. Hier kann bei Schwierigkeiten mit dem Produkt einfach persönlicher Support angefordert werden.
- Außerdem hat sich aus den Nutzern eine Community gebildet, die sich zumindest in München regelmäßig über Neuigkeiten und Handhabung der Geräte austauscht.
Alles in allem eine runde Sache in puncto Langlebigkeit, Ressourceneffizienz, Menschlichkeit und Nachhaltigkeit.
Und das kommt: Wie ich bei der Recherche erfuhr, wird es ab 2021 einen verbesserten Recycling- und Wiederaufbereitungsplan bei Fairphone geben. Auch für nicht von Fairphone hergestellte Handys – soweit ich das verstanden habe. Das finde ich tatsächlich großartig! Unsere Gesellschaft legt immer noch zu wenig Wert auf die Aufbereitung des anfallenden Elektroschrott. Dieser macht ca. 12 Millionen Tonnen europaweit aus (Prognose für 2030: 75 Millionen Tonnen weltweit, Statista).
Welche Schätze sind im Elektroschrott verborgen? Was sind sie wert?
Eine Tonne Elektroschrott aus Computern und Laptops enthält rund 70 Kilogramm Kupfer, 140 Gramm Silber und 30 Gramm Gold. Beim momentanen Marktpreis repräsentieren allein diese drei Edelmetalle einen Wert von mehr als 1.500 Euro. Außerdem kommt noch Palladium im Wert von rund 200 Euro dazu. Handys sind noch wertvoller:
Eine Tonne Handyschrott enthält etwa 240 Gramm Gold, 2,5 Kilogramm Silber, 92 Gramm Palladium, 92 Kilogramm Kupfer und 38 Kilogramm Kobalt mit einem Gesamtwert von rund 10.000 Euro. Und jetzt stellen wir uns mal folgendes vor:
Jährlich werden ca. 22 Millionen Handys hierzulande verkauft. Gleichzeitig schlummern in unseren Schubladen ca. 200 Millionen Handys. Da liegt eines auf der Hand: Hier bleiben riesige Beträge ungenutzt. Was könnte man mit diesem Geld alles für das Gemeinwohl finanzieren! Allerdings versuchen der Staat und auch die EU immer noch, die Verantwortung an die Hersteller der Geräte zu übergeben. Das finde ich schlichtweg unverantwortlich. Der Staat sollte diese Ressourcen nutzen und mit Experten, die sich auf die Wiederaufbereitung spezialisiert haben, kooperieren, um den Elektroschatz im eigenen Land oder zumindest innerhalb der EU aufzubereiten und von den wertvollen Ressourcen zu profitieren.
Was Jugendliche seit Jahrzehnten auf den Müllhalden außerhalb unseres Blickfeldes mit Schraubenzieher und Gummihammer können oder können müssen, um Geld zu verdienen, sollten wir als hochtechnologisierte Industrienation doch ohne weiteres in serieller Demontage hinbekommen. Und dabei auch noch Arbeitsplätze schaffen. So wie Teqcycle. Mit der Aufbereitung eines Handys, spart die Firma zudem noch 58 Kilogramm CO₂ ein.
Was können wir Verbraucher*innen jetzt tun? Nun zunächst in unseren Entscheidungen Firmen wie Fairphone unterstützen. Und ganz sicher kein Handy in der Schublade liegen lassen, sondern zum Wertstoffhof bringen, im Handel abgeben oder an NABU senden! Wichtig ist auch, die Politik darauf aufmerksam machen, dass die Wirtschaft trotz Obhutspflicht das Problem nicht für uns lösen wird. Denn das hat die Autoindustrie auch nicht getan.
Weiterführende Informationen für dich:
∷ So nimmt NABU Geräte von Privatpersonen an: Retourenschein anfordern
∷ Think Digital Green®: „Nachhaltigkeit als Leitprinzip für die Digitalisierung verankern“, Interview mit Dieter Janecek
∷ Carbon Literacy Project: neues CO₂-Bewusstsein durch Bildungsangebote