Gerrit Schuster ist Web- und Markendesigner und Wildnispädagoge. Mit seiner Familie lebt er zunehmend plastikfrei auf der griechischen Insel Amorgos. Wir sprechen darüber, wie mehr „Natürliches“ in die digitale Welt kommt. Das wollen wir mit dir teilen. Was denkst du dazu?

Freier Web- und Markendesigner und Wildnispädagoge

Susanne: Was ist ein Federtänzer? Das kenne ich noch nicht. Eine Zeichnung von dir mit diesem Titel habe ich auf deiner Website im Bereich Portfolio entdeckt.

Gerrit: Wie schön, dass du den gefunden hast. Der kommt aus meiner Ausbildung zum Wildnispädagogen. Da haben wir unsere Gruppe in zwei „Clans“ geteilt, die sich diese Namen gaben: Schwarze Feder und Sturmtänzer. Im letzten Modul haben wir diese Trennung aufgehoben und mein „Federtänzer“ ist entstanden. Der begleitet mich. Ab und zu verfalle ich bei meiner Arbeit in schweres Gedankenwälzen. Dann kommt er um die Ecke und zeigt mir Freiheit und Leichtigkeit. Toller Typ oder?

Susanne: Was ganz Neues zusammenbringen, das sehe ich dabei. Empfindest du als Web-Designer den digitalen Raum eher als fruchtbare Wildnis oder auch als verwildernde Fläche? Du kennst dich ja damit aus, wie wir uns in der urspünglichen Natur bewegen können.

Gerrit: Zuerst mal: Krass, dieser digitale Raum, den wir Menschen erfunden haben, ihn jetzt bevölkern und darin quasi heimisch werden. Wir legen dazu alle Regeln fest. Nur wir halten uns in ihm auf. Keine Wasseramsel, keine Waldameise benutzt dieses Netz. Da kann man leicht vergessen, was vor der Tür alles kreucht und fleucht. Wie wild und reich die natürliche Welt ist.

Susanne: Da fällt mir ein, dass wir in Wäldern virtuell spazieren gehen können. In Pausen von Veranstaltungen wird das angeboten. Da gibt’s kein Knacken unter den Füßen, keine Stechmücken oder Gewitter. Sehr clean alles …

Gerrit: Es geht ja um Wahrnehmen. Ich mache Web-Design und bin in digitalen Netzwerken unterwegs. Für mich ist es gerade deshalb essentiell, die digitale Welt auch abschalten zu können. Und bewusst unsere natürliche, manchmal wilde Umwelt und Mitwelt wahrzunehmen. Digitale Räume sollen mein Menschsein unterstützen, nicht vereinnahmen.

Susanne: Dazu fallen uns beiden sicher spontan viele gute digitale Dienste ein. Uns ist auch wichtig, dass dabei immer mehr der ökologische Fußabdruck mitgedacht wird. Du unterstützt öko-soziale Organisationen dabei, zu einer starken Marke zu werden. Was bedeutet für dich  eine menschenfreundliche Web-Gestaltung?

Gerrit: Das ist spannend, weil Design ja immer ein Ziel verfolgt, anders als die freien Künste. Menschenfreundliche Gestaltung hat also viel damit zu tun, welche Organisation oder welches Geschäftsmodell dahintersteht. Ich arbeite liebend gern mit Unternehmen zusammen, die sich mündige Menschen wünschen, anstatt nur darauf zu schielen, ihren Ertrag zu maximieren. Menschenfreundlich bedeutet für mich, den Besucher*innen weiter zu helfen. Sie bei den besten Entscheidungen zu unterstützen: Erst für den Planeten, dann für sich selbst und ihre Mitmenschen und schließlich für die Profitabilität. Falls ein Businessmodell mit der Website verbunden ist.

Susanne: Wird das angenommen, wie sind deine Erfahrungen?

Gerrit: Ich habe das Gefühl, dass Website-Besucher*innen diesen Ansatz immer stärker wertschätzen. Sie fassen darüber Vertrauen. Viele Seiten versuchen ja uns einzufangen, gezielt in eine Richtung zu lenken und zu unüberlegten Entscheidungen zu verleiten. Im Stil von BUY NOW! Darauf reagiere ich zunehmend allergisch.

Susanne: Vermutlich geht das vielen so. Wer schon einmal einen ärgerlichen Impulskauf gemacht hat, kennt das. Etwas anderes: Ihr habt die Idee, in eurer Gegend Setzlinge zu pflanzen. Zum Beispiel junge Steineichen im „Kindergartenalter“. Ist das mit den Ziegen ein Problem?

Gerrit: Wir pflanzen bisher noch gar nicht so viel, wie wir eigentlich wollen. Ich habe aber riesengroße Lust, zukünftig auf der Insel einen Permakultur-Wald entstehen zu lassen. Ich bin halt die mitteleuropäischen Wälder gewöhnt und vieles ist hier anders. Es geht mir noch ums Beobachten und Verstehen von Zusammenhängen. Dieses Prinzip ist übrigens total wichtig für meinen Designprozess: Erst beobachten, dann verstehen, dann folgerichtig entwickeln.

Susanne: Von der Natur lernen – wie sie tickt, auch mit den Widrigkeiten?

Gerrit: Die Ziegen sind ein wichtiger Grund, warum auf dieser Insel kein natürlicher Wald mehr entsteht. Deswegen werden Steineichen zum Beispiel in die Mitte von dornigem Gestrüpp gesetzt. So können sie sich in den ersten Jahren sicher entwickeln. Da ist denke ich auch eine gute Metapher versteckt. Welche genau, weiß ich noch nicht.

Susanne: Also bei Sprachbildern hätte ich etwas zu bieten. Welche neuen Setzlinge brauchen wir für die digitalen Landschaften?

Gerrit: Ganz viele unterschiedliche. Vielfalt ist Reichtum für mich. Und dass der digitale Raum von immer machtvolleren Monokulturen dominiert wird, muss sich meiner Ansicht nach ändern. Ich suche aktiv nach Wegen, wie viele kleine Anbieter gemeinsam starke und widerstandsfähige Strukturen aufbauen können. Da kommen vielleicht die Dornen ins Spiel, die wir ruhig gemeinsam ausfahren können, um neue Ansätze zu verteidigen. Dann können wir neue Möglichkeitsräume im Netz besiedeln und ausdehnen.

Susanne: …  Damit sie wachsen können. Ein starkes Bild. Think Digital Green hast du bei LinkedIn gefunden. Das freut uns. Wir sind inzwischen beide im Netzwerk Gute Seiten angekommen. Was kann idealerweise daraus werden?

Gerrit: Das weiß ich tatsächlich selber nicht. Ich bin ja auch ganz frisch in dieser Runde gelandet. Ich freue mich darauf, mit euch Neues entdecken zu können. Ich habe nichts gegen eine politische Komponente und einen Diskurs über digitale Nachhaltigkeitsstandards. Im Endeffekt brauchen wir und wollen wir doch einfach mehr nachhaltig digitales. Schlicht: Gute Seiten.

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